„Seine Bühne ist die Fußgängerzone“ – „Charlys“ Kampf um’s Überleben

(mac – 5.101.14) Manche nennen es kulturelle Belebung der Innenstadt, andere bezeichnen es als Lärmfolter: An Straßenmusikern scheiden sich nun mal leider die Geister. 1976 sang Lena Valaitis: „Da kommt José, der Straßenmusikant, von nah und fern kommt alles angerannt“. Nun, bei einigen Menschen ist es genau das Gegenteil: Sie gehen ihm aus dem Weg. Andere wiederum freuen sich nicht nur über seine Musik, sondern zeigen ihm es auch. Klar, daß da als Obolus das eine oder andere Geldstück in seine Gitarrentasche fällt, während man bei ihm steht und zuhört. Er beherrscht ja auch ein einzigartiges Repertoire: Von den Beatles bis Beethoven und von Abba bis Zappa. „Schwetzingen-Lokal“ entdeckte ihn durch Zufall und lud ihn spontan zu einer kleinen musikalischen Pause beim Frühstück ein und erfuhr so einiges über sein Wirken als Straßenmusiker.

Schwetzingen-Lokal: Du heißt also Charly?
Charly: Ja, das ist mein Künstlername.

Schwetzingen-Lokal: Wie heißt Du richtig?
Charly: Charles Cune.

Schwetzingen-Lokal: Wo bist du geboren?
Charly: Ich bin in Gambia geboren, also in Westafrika.

Schwetzingen-Lokal: Und seit wann bist du in Deutschland?
Charly: Seit November 1998.

Schwetzingen-Lokal: Bist Du zur Zeit ohne feste Arbeit?
Charly: Ja, leider, obwohl ich einige Kurse im Berufsförderungswerk belegt habe, aber es sind eben nicht so gute Zeiten.

Schwetzingen-Lokal: Wo hast du diese Kurse belegt?
Charly:In Wieblingen.

Schwetzingen-Lokal: Und wie sieht so dein Tagesablauf aus?
Charly:Naja, morgens schreibe ich Bewerbungen oder: Wenn ich viel Glück habe, gehe ich zu einem Bewerbungsgespräch. Nachmittags fahre ich dann nach Schwetzingen um Musik zu machen.

Schwetzingen-Lokal: Ach, du wohnst gar nicht in Schwetzingen?
Charly: Nein, in Heidelberg.

Schwetzingen-Lokal: Und warum musizierst du hier in der Fußgängerzone in Schwetzingen?
Charly:(lacht) Weil hier die Leute netter sind. Die Menschen sind hier irgendwie ein bisschen anders. Es kommt auch schon mal vor, das ich eingeladen werde, um auf Geburtstagen oder Partys zu spielen. Ich bekomme dort etwas Geld und natürlich auch immer was zu essen und zu trinken. Ab und zu fragen mich sogar Leute von einem Restaurant oder einem Biergarten, ob ich nicht ein bisschen für ihre Gäste spielen möchte. Das mache ich natürlich gerne.

Schwetzingen-Lokal: Was denkst Du an solchen Tagen, wenn Du dann nach Hause fährst?
Charly: Ich habe wieder einen Tag überlebt.

Schwetzingen-Lokal: Bist Du denn Obdachlos?
Charly: Nein, ich wohne in einem Heim in Heidelberg.

Schwetzingen-Lokal: Mögen die Leute hier Deine Musik?
Charly: Ja, ich denke schon. Es sagen auch viele, ich würde gut spielen, aber einen Job hat keiner für mich, auch nicht als Musiker.

Schwetzingen-Lokal: Wenn Dich jemand erreichen möchte, sagen wir, um Dich auf einer Party Musik machen zu lassen. Wie kann mich Dich erreichen?
Charly: Über meine Handynummer.

Schwetzingen-Lokal: Darf ich die notieren?
Charly: Oh, das wäre super!

Schwetzingen-Lokal: Wie lautet sie?
Charly: 0152/187 45 286

Schwetzingen-Lokal: Von wem hast du denn so toll Gitarre spielen gelernt?
Charly: Von meiner Mutter. Ich habe noch vier Brüder, aber ich bin der einzige, der sich für Musik interessiert. Musik ist mein Leben, egal wie bitter es manchmal ist.

Schwetzingen-Lokal: Und welche Art von Musik spielst Du?
Charly: Alles!

Schwetzingen-Lokal: Alles?
Charly: Ja, Salsa, Reggae, Goombay, African Beat, Pop, Jazz, Klassik

Schwetzingen-Lokal: Klassik? Willst du mir erzählen, das Du Beethoven auf der Gitarre spielst?
Charly: (lacht) Nein, lieber Mozart!

Schwetzingen-Lokal: Also hat Schwetzingen seinen „Superstar“ schon gefunden?
Charly: Superstar? Oh, hör‘ mir bloß auf Mann! Ich hab‘ das mal gesehen… Das sind vielleicht „Superstars“. Die sollen mal zu mir kommen, denen zeige ich, was „Feuer“ ist!

Schwetzingen-Lokal: Hattest Du Musik denn auch schon professionell, also als Beruf ausgeübt?
Charly: Sozusagen. In Afrika habe ich regelmäßig in Hotels gespielt. Das war eine gute Zeit, aber eben eine andere Zeit.

Schwetzingen-Lokal: Ich fahre gleich zurück nach Heidelberg und könnte Dich mitnehmen?
Charly: Danke, das ist nett, aber ich bleibe noch bei den Leuten hier. Es ist schönes Wetter und ich möchte noch ein bisschen Musik machen.

Wir blieben noch ein wenig stehen, sahen und hörten Charly zu und uns wurde klar, warum dieser Mann seine Musik so sehr liebt.

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