Nicht abschreiben!
Wie junge Menschen mit einer Lese-Rechtschreibschwäche ihr Bildungsziel erreichen und ihr (Berufs-)Leben in den Griff bekommen können.
Von Dr. Gerd Eisenhofer
Beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen lief in den vergangenen Wochen der Film „Dyslexie – Der Kampf mit den Buchstaben“, der ein oftmals verkanntes gesellschaftliches Problem aufgreift (Dyslexie ist der Fachbegriff für Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten). Der Film schildert die Probleme eines Mannes mit Lese-Rechtschreibproblemen. Philipp Halbe (30), der Hauptdarsteller, kann weder Anträge ausfüllen, noch Packungsbeilagen lesen. Doch er versucht sich trotz dieser Schwäche irgendwie durch den Alltag zu mogeln. Mehr schlecht als recht übrigens. Denn am Ende des Films wird ihm das Sorgerecht für seine Tochter entzogen.
Eine Situation, die immer mehr Erwachsene so oder so ähnlich kennen. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Kulturtechniken Lesen und Schreiben mehr und mehr verkümmern. So klagen viele Ausbildungsleiter seit Jahren zu Recht, dass sich die Lese- und Rechtschreibfertigkeiten der Auszubildenden gegenüber früheren Ausbildungsgenerationen permanent verschlechtert haben. Und auch Universitätslehrer weisen darauf hin, so schreibt es der Philosophieprofessor Konrad Paul Liessmann am 26.09.2014 in einem Beitrag für die FAZ, dass ihre Studenten weder die Rechtschreibung noch die Grammatik ausreichend beherrschen und auch nicht über eine präzise Ausdrucksfähigkeit verfügen.
Und wie reagiert die Bildungspolitik darauf?
Zu Beginn ihrer Schullaufbahn wird Schülern das Schreiben nach der – um es vorsichtig zu formulieren – fragwürdigen Methode Schreiben nach Gehör vermittelt, Lesetexte werden drastisch vereinfacht, und viele Aufgaben sollen durch Ankreuzen oder Einsetzen einzelner Wörter bearbeitet werden. Die Schulung des eigentlichen Schreibens, d. h. das Verfassen von Texten, bleibt dabei meist auf der Strecke, so schreibt Liessmann weiter.
Dabei könnte – folgt man der Argumentation Liessmanns – alles ganz einfach sein: Lesen und Schreiben sind Kulturtechniken, auf in unserer heutigen komplexen Welt mehr denn je nicht verzichtet werden darf. Es kann nicht der richtige Weg sein – so Liessmann – „das Betrachten von Bildern zu einem Akt des Lesens und das Ankreuzen von Wahlmöglichkeiten zu einem Akt des Schreibens hochzustilisieren“, auch wenn es Menschen gibt, denen das Lesen- und Schreibenlernen schwer fällt. Viel sinnvoller wäre es dagegen, diese Menschen mit geeigneten, auf ihr Problem zugeschnittenen Methoden effektiv zu unterstützen, damit sie ihr Bildungsziel erreichen und ihr (Berufs-)Leben in den Griff bekommen können.
Dr. Gerd Eisenhofer ist Leiter des Lehrinstituts für Orthographie und Sprachkompetenz (LOS) Wiesloch-Schwetzingen-Speyer (www.LOS-Schwetzingen.de).
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