Fahrt ins Blaue
Evangelische Senioren besuchten das Pfarrerehepaar Müller in Pforzheim
Über 100 Seniorinnen und Senioren der Evangelischen Kirchengemeinde Schwetzingen machten sich mit zwei Bussen auf den Weg zur alljährlichen Sommerfahrt ins Blaue. Wobei in diesem Jahr das Ziel schon vorab bekannt war: es ging nach Pforzheim in die neue dienstliche Heimat des Pfarrerehepaares Müller am Zusammenfluss von Enz, Nagold und Würm in der nördlichen Pforte des Schwarzwaldes.
Seit über 40 Jahren finden die großen Seniorenausflüge, meist mit der bewährten Firma Weis der Busreisen aus St.Leon-Rot zum sommerlichen Abschluss des Programms im ersten Halbjahr statt, seit 16 Jahren und in diesem Jahr letztmals mit den beliebten Organisatoren Thomas und Ulrike Müller, die in bewährter Weise und immer mit einem Schuss Humor die Hinreise in den Bussen moderierten.
Um den üblichen Staus auf der Autobahn zu entgehen, führte die Tour über Bundes- und Landesstraßen aus der Kurpfalz über Bretten, der Stadt des Reformators Philipp Melanchthon nach Pforzheim und folgte somit der Spur von Berta Benz aus Mannheim, die vor über 125 Jahren mit ihrer gewagten Landfahrt von Mannheim nach Pforzheim die Tauglichkeit des pferdelosen Automobils, das ihr Ehemann Carl Benz entwickelt hat, bewies und damit den ersten Baustein der heute weltweiten individuellen Mobilität setzte.
Im Pforzheimer Stadtteil Brötzingen angekommen, wurde die Schwetzinger Reisegruppe im Kastanienhof der Christuskirche mit einem Glas Wasser begrüßt, was bei der heißen Witterung eine willkommene Erfrischung war.
Diese große Kirche in der Pforzheimer Weststadt mit über 1000 Sitzplätzen für etwa 4000 Gemeindeglieder wurde im damals modernen Jugendstil erbaut und 1912 fertiggestellt. Brötzingen, einst bis zur politischen Eingemeindung selbstständig, ist heute ein heterogener Stadtteil in dem es ebenso Fachwerkhäuser und Wohnlagen mit sozialen Brennpunkten gibt und in dem eine hohe Zahl von Migranten wohnt.
Neben dem großen Kirchenbau mit angeschlossenem Pfarrhaus und nahem Schulhaus steht noch die alte kleine Kirche, die heute als Stadtmuseum genutzt wird und bei der ein Kräutergarten die Verbindung herstellt.
Pfarrer Thomas Müller besetzt die volle Pfarrstelle und wird von Pfarrer Torsten Resack, der früher Vikar in Oftersheim war, auf Zeit mit einem halben Deputat unterstützt. Die Schwerpunkte der Arbeit in der Kirchengemeinde liegen auf Gottesdiensten mit Kirchenmusik und im Diakoniebereich, wobei die unterschiedlichen Wohnlagen von Tal bis Berg die Basis einer ausgeprägten Multikulti-Bevölkerung darstellt.
So gibt es Kooperationen mit Quartierstreffpunkten der Diakonie für Senioren und Familien ebenso wie zwei Kindertagesstätten mit sechs Gruppen und mehrere Wohn- und Pflegeheime für Senioren. All das erläuterte Thomas Müller in einem lockeren Statement in der mit Ornamenten reich geschmückten Hallenkirche. Auch gaben die beiden Pfarrersleute dort wie unterwegs einige Grundinformationen zur Stadt Pforzheim.
So erfuhr die Schwetzinger Reisegruppe, dass Pforzheim eine römische Gründung ist und später bis 1565 badische Residenz war, was sich heute noch in zahlreichen Straßennamen widerspiegelt. Die Flößerei war eine wichtige Lebensgrundlage. 75% der deutschen Schmuckindustrie ist in der seit 250 Jahren als Goldstadt bekannten „kleinen Großstadt“ angesiedelt. Pforzheim war die Wirkungsstätte des Humanisten Johannes Reuchlin und beherbergt in seiner Grenzlage zu Württemberg in der näheren Nachbarschaft zahlreiche Kulturstätten wie Maulbronn, Hirsau, Calw, Nagold und Wildbad.
Im 2.Weltkrieg wurde Pforzheim am 23. Februar 1945 innerhalb 20 Minuten durch alliierte Flieger total zerstört und hatte 17.000 Tote zu beklagen. Der Schutt der Zerstörung wurde mit vielen der Toten auf dem Wallberg aufgetürmt, der auch heute noch unter dem Namen „Monte Scherbelino“ als Denkmal an diese Kriegshandlung erinnert.
Nach dem Kriege wurde Pforzheim „autogerecht“ wieder aufgebaut, was auch heute immer wieder zu Diskussionen über die „Schönheit“ dieser eher abschreckenden Stadtgestaltung führt, da auch die autogerechte Planung nicht zu einer Beherrschung des Molochs Verkehr geführt hat. Neben der Schmuckindustrie bilden heute Versandhäuser, Präzisionstechnik-Industrie und die Fachhochschule für Gestaltung und die Goldschmiedeschule das wirtschaftliche Rückgrat von Pforzheim.
Die landschaftlich reizvolle Umgebung bietet am Kupferhammer den Beginn der drei großen Schwarzwaldwanderwege nach Basel. Die Schwetzinger begnügten sich am Nachmittag nach einer Kaffeerunde mit einer kurzen Wanderung entlang der Enz, bevor im Gasthaus Benckiser Hof gemeinsam das Abendessen eingenommen wurde.
Der Abschied von den Müllers gestaltete sich doch etwas wehmütig und es wurde bewusst, welche Leistung die beiden Theologen in Schwetzingen hinterlassen haben: Kreise mit engagierten evangelischen Christen, welche bisher die Basis der Gemeindearbeit waren und die erwarten, dass diese Grundlage nicht einer modernistischen Milieu- und Projektsichtweise von Gemeindearbeit geopfert werden.
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