Eine Sternstunde: Der Urknall und die Frage nach der Religion

Das Universum als Rosinenbrötchen – Dieses Bild bleibt sicher allen Gästen im Gedächtnis. Dr. Thomas Bührke veranschaulichte das sich ausdehnende Weltall durch ein aufgehendes Hefeteigbrötchen: Die Abstände zwischen allen Rosinen werden größer, unabhängig vom Standort der Rosine. So dehnt sich das Weltall aus, egal von welchem Ort aus die Expansion betrachtet wird.

In seinem Vortrag „Der Urknall, Einstein und die Weltformel“ gelang es dem Schwetzinger Astrophysiker und Wissenschaftsautor, die schwierigen Erkenntnisse der Urknall-Forschung verständlich zu erklären. Das Publikum setzte sich aus Schülern aller Klassenstufen sowie Experten und Laien zusammen. Bührke berichtete von der historischen Entwicklung der Urknalltheorie. Newton noch ging von einer Schwerkraft aus, die zum Erdmittelpunkt hin gerichtet ist. Einstein erkannte 1915, dass die Schwerkraft gar keine Kraft ist, sondern einen Eigenschaft des gekrümmten Raumes und der Zeit.

Der mathematische gebildete und begabte Abt Georges Lemaître löste Einsteins Gleichungen und Einstein kommentierte: „Ihre Berechnungen sind richtig, aber Ihre Physik ist scheußlich.“ Lemaîtres Lösung bedeutete nämlich, dass es einen Urknall gegeben haben und sich das Universum ausdehnen müsste.

Der Astronom Hubble konnte dann die Galaxienflucht nachweisen: Je weiter Himmelskörper voneinander entfernt sind, umso schneller streben sie auseinander. 1965 wurde die Hintergrundstrahlung gemessen – in Form eines Rauschens in Radioantennen. Heute deuten alle weiteren Messergebnisse darauf hin, dass von 13,8 Milliarden Jahren der Urknall stattgefunden hat. Experimente können die Situation eine Milliardstel Sekunde nach dem Urknall simulieren. Doch es bleiben noch genug offene Probleme. Man weiß noch kaum etwas über die dunkel Materie oder über die dunkle Energie, auch nicht, warum die Naturkonstanten ihren speziellen Wert haben. Die Wissenschaft hofft auf eine übergeordnete Theorie, die die Relativitäts- und die Quantentheorie – vielleicht in einer „Weltformel“? – verbindet.

Der Multifunktionsraum des Hebel-Gymnasium war bis auf den letzten Stuhl belegt, denn nicht nur der Vortrag lockte die Schwetzinger, sondern auch der angekündigte Dialog im zweiten Teil: Dr. Thomas Bührke und Religionslehrer Dr. Henning Hupe diskutierten anschließend über „Gott und die Welt“. Als kluger Moderator fungierte Astronomielehrer Enrico Malz. Für die Idee und Organisation waren die Lehrerinnen Hanna Schwichtenberg und Birgit Schillinger verantwortlich.

Wenn die Naturwissenschaft schon bis auf eine Milliardstel Sekunde an den Urknall herangekommen ist, dann „könnte es zwar noch Raum für Gott geben, aber er wird immer kleiner“ zitierte Bührke den Physiker Stephen Hawkings. Der Theologe sah das ganz anders: „Gott ist nicht der Lückenbüßer für das Unerklärbare in einem naturwissenschaftlichen Weltbild, sondern der Zusprechende, der sich zu den Menschen in Beziehung setzt.“ Laut Dr. Hupe seien die Worte Gottes als Metaphern zu verstehen und Religion habe nicht den Anspruch, Erklärungen zu liefern: „Physiker glauben ja auch – zum Beispiel an die schwarzen Löcher, die sie nicht beschreiben können.“

Es ergab sich ein spannender Schlagabtausch, auch unter Beteiligung des Publikums. Der Wissenschaftler Bührke gab zu: „Das sich unendlich ausgedehnte Weltall liegt jenseits der Vorstellungskraft.“ Er selber aber lebe lieber ohne „die Hilfskonstruktion“ eines Gottes. Für den Theologen jedoch ist die Religion sinnstiftend und bringt die Menschenwürde in die Welt. Sowohl Religion als auch Physik wollen Grenzen überschreiten – aber mit unterschiedlichen Methoden. Buchhändler Cornelius Kieser lobte den Abend mit einer passenden Metapher: „Das war eine Sternstunde!“

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